Als Autor und Sprecher beschäftigt sich Jörg ­Berger mit schönen und schwierigen Beziehungen.
Als Autor und Sprecher beschäftigt sich Jörg ­Berger mit schönen und schwierigen Beziehungen. © KK/Rodrian
Jörg Berger

„Wer erschöpft ist, ver­liert die Freu­de am Tun“

Psychotherapeut und Buchautor Jörg Berger verrät Strategien gegen Belastung und Erschöpfung.

09.08.2024 10:27 von Anita Arneitz
Lesezeit 5 Minuten

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: ­War­um füh­len sich so vie­le Men­schen erschöpft?

Jörg Ber­ger: Gera­de häu­fen sich Fak­to­ren, die emo­tio­na­le Ener­gie kos­ten. Poli­ti­sche Ereig­nis­se wir­ken sich unmit­tel­bar auf unser Leben aus. Wir sehen sogar im Super­markt, was sich gera­de in der Welt abspielt, wenn Waren feh­len. Der hohe Takt von Inno­va­tio­nen zwingt uns zum Ler­nen. Außer­dem füh­ren die meis­ten von uns ein zwei­tes, digi­ta­les Leben, das Auf­merk­sam­keit erfor­dert.

Wel­che Rol­le spielt der ­Kör­per bei der Erschöp­fung?

Unser Kör­per ist ein wun­der­ba­rer Reso­nanz­raum. Er ant­wor­tet mit fei­nen Reak­tio­nen auf alles, was in unse­rem Leben und beson­ders in unse­ren Bezie­hun­gen geschieht. Wenn wir aber über­las­tet sind, müs­sen wir den Kopf vom Kör­per tren­nen, damit wir funk­tio­nie­ren kön­nen. Doch das geht nur ein paar Jah­re gut.

Erschöp­fung kommt oft schlei­chend. Wie erkennt man sie?

In der begin­nen­den Erschöp­fung ver­lie­ren Men­schen ihre Freu­de und Lei­den­schaft. Um trotz Über­las­tung leis­ten zu kön­nen, stel­len sie ihre Gefüh­le zurück und über­hö­ren ihre Kör­per­si­gna­le. Betrof­fe­ne beschrei­ben das mit „Ich funk­tio­nie­re nur noch“ oder „Ich füh­le mich wie ein Robo­ter“. Doch irgend­wann lässt auch das Leis­ten nach. Ein Wochen­en­de rege­ne­riert dann nicht mehr.

Wel­che Tipps haben Sie, ­damit Men­schen wie­der zu ­ihren Kraft­quel­len fin­den?

Man soll­te sich die Fra­gen stel­len, auf die man kei­ne Ant­wort hören möch­te: Wie füh­le ich mich gera­de wirk­lich? Was tut mir nicht gut? Wie geht es mei­nem Kör­per damit, wie ich gera­de lebe? Was bräuch­te ich, damit ich mich pri­vat und beruf­lich wirk­lich wohl­füh­le? Die Ant­wor­ten sind beun­ru­hi­gend. Denn für Erschöpf­te sind sie ein Pro­test der Gefühls­welt und des Kör­pers gegen das augen­blick­li­che Leben. Und man spürt: Es gibt kei­ne schnel­le Lösung.

Brin­gen Sie sich nie in eine Situa­ti­on, in der Sie Ihre See­le ver­kau­fen müs­sen, weil Sie nicht Nein sagen kön­nen.Zitat Ende

Jörg Ber­ger

Psy­cho­the­ra­peut

Das klingt anstren­gend …

Die Leis­tungs­ge­sell­schaft hat eine Ant­wort auf die von ihr ver­ur­sach­ten Pro­ble­me: mehr Sport, mehr Medi­ta­ti­on, bes­ser essen, opti­miert schla­fen. Doch ers­tens gibt es nur weni­ge Erschöpf­te, die dafür noch Dis­zi­plin auf­brin­gen. Und zwei­tens kön­nen auch gute Din­ge zu einem Doping wer­den, das ein Leis­ten gegen den eige­nen Kör­per auf­recht erhält. Bes­ser macht man sich auf den Weg, um das eige­ne Leben wie­der in Ein­klang mit den eige­nen Vor­lie­ben, Bedürf­nis­sen und Gren­zen zu brin­gen. Die vie­len klei­nen Ver­än­de­run­gen erfor­dern kei­ne Selbst­über­win­dung.

Wie löst man sich von Men­schen, die Ener­gie rau­ben?

Je nach Bran­che sind es etwa fünf bis zehn Pro­zent der Kun­den und Mit­ar­bei­ter, die einem Kraft rau­ben. Es sind die unkor­ri­gier­ba­ren, unver­schäm­ten und hoff­nungs­los selbst­be­zo­ge­nen Men­schen. Es gibt eine fal­sche Scheu davor, die­se zu ver­är­gern oder zu ver­lie­ren. Eine star­ke Füh­rung bringt den einen oder ande­ren auf Kurs. Beim Rest setzt man durch kla­re Wor­te und Vor­ga­ben eine Tren­nung in Gang.

Wie schafft man sich ein Umfeld, das einen stärkt?

Man soll­te sich mit mög­lichst vie­len posi­ti­ven Men­schen umge­ben. Außer­dem soll­te man dar­auf ach­ten, dass einen unfai­re Men­schen nicht die Arbeits­be­din­gun­gen dik­tie­ren, was sich in Prei­sen, Dead­lines, Res­sour­cen oder Frei­heits­gra­den in der Aus­füh­rung nie­der­schla­gen kann. Was bei der Aus­hand­lung eines Auf­trags fest­ge­legt wird, kann lan­ge Ener­gie frei­set­zen – oder rau­ben.

Ihr Rat?

Brin­gen Sie sich nie in eine Situa­ti­on, in der Sie Ihre See­le ver­kau­fen müs­sen, weil Sie nicht Nein sagen kön­nen. Dem beugt man vor, indem man sein Glück auf eine sta­bi­le Part­ner­schaft und Freund­schaf­ten stützt, nicht auf den Erfolg, in dem man sei­ne Iden­ti­tät aus sei­nen Wer­ten bezieht und sei­nen Lebens­stan­dard beschei­den hält, damit man frei bleibt, selbst wenn der Gewinn ein­mal gerin­ger aus­fällt.

Jörg Ber­ger
  • Jörg Ber­ger, gebo­ren 1970, hat in Hei­del­berg Psy­cho­lo­gie stu­diert und die Aus­bil­dung zum Psy­cho­the­ra­peu­ten absol­viert.
  • Beruf­li­che Sta­tio­nen führ­ten von der Psych­ia­tri­schen Uni­ver­si­täts­kli­nik Hei­del­berg über die Kli­nik Hohe Mark bei Frank­furt zur eige­nen Pra­xis in Hei­del­berg.
  • Im Her­der-Ver­lag erschien zuletzt sein Buch „Die Anti-Erschöp­fungs­stra­te­gie“.
  • In sei­ner Frei­zeit joggt er und genießt mit Freun­den die Schön­heit der Umge­bung. Er ist ver­hei­ra­tet und hat zwei Kin­der.
Zur Per­son
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