„Wer Analoges erhält, hat einen sicheren Anker“
Autorin und Digital-Detox-Expertin Monika Schmiderer rät zu einem bewussten Umgang mit dem Smartphone.
Mehrere Stunden täglich nutzen viele ihr Smartphone. Dass das zum Problem werden kann, weiß Monika Schmiderer.
„Kärntner Wirtschaft“: Sie haben den Begriff Digital Detox mitgeprägt. Was versteht man denn darunter?
Monika Schmiderer: Es geht bei Digital Detox um den bewussten Verzicht auf Bildschirmzeit und Online-Medien. Mehr und mehr entwickeln sich daraus auch die Bereiche digitale Balance, digitale Resilienz und digitale Achtsamkeit, weil es nicht mehr nur darum geht, Pausen einzulegen, sondern einen gesunden Umgang zu pflegen – beruflich wie privat.
Oft ist das Smartphone das erste, was man in der Früh in die Hand nimmt, und das letzte, was man abends aus der Hand legt. Warum hat das Smartphone denn so einen hohen Stellenwert?
Das Smartphone ist mittlerweile der wichtigste Alltagsbegleiter geworden. Studien belegen, dass 69 Prozent der Menschen schon in der ersten Minute nach dem Aufwachen zum Smartphone greifen. Es übt eine enorme Magnetkraft auf viele aus, vor allem die Newsforen und die sozialen Medien. Wir haben uns dieses Verhalten selbst antrainiert und in unserem Gehirn über die Belohnungsmechanismen einen Digitaltrampelpfad angelegt. Je öfter wir diesen Pfad ablaufen, desto intensiver ist die Konditionierung.
Vielfach wird das Argument ins Treffen geführt, dass ohne Smartphone ja gar nichts mehr gehe?
Das Ziel ist ja auch nicht, ohne Smartphone zu leben. Wir erleben mit der Digitalisierung nicht nur einen Trend, sondern eine regelrechte Evolution, die unsere Art zu leben in einem immer höheren Grad beeinflusst. Deshalb geht es vielmehr darum, sich bewusst zu werden, warum man online ist und ob man damit etwas kompensieren will, etwa Selbstzweifel oder Ängste.
Woran erkennt man, dass die Nutzung des Smartphones oder anderer digitaler Alltagsbegleiter zu viel wird?
Das merkt man etwa daran, dass man sich weniger gut konzentrieren kann, nicht mehr gut schläft, aggressiv wird oder zu Wutausbrüchen neigt, aber auch Vergesslichkeit, soziale Ängstlichkeit oder depressive Verstimmungen sind Zeichen dafür, dass die Nutzung in eine destruktive Richtung geht.
Das Ziel ist nicht, ohne Smartphone zu leben, sondern bewusster damit umzugehen.
Monika Schmiderer
Digital-Detox-ExpertinBerufliche und private Nutzung lassen sich ja auch nur mehr schwer trennen …
Die Bereiche der beruflichen und privaten Nutzung verschwimmen immer mehr. Die Work-Life-Balance wird häufig durch berufliche Impulse in der Privatzeit beendet, umgekehrt stört die private Nutzung die beruflichen Aufgaben. All das führt zu einem erhöhten Stresslevel, weil man versucht, alle Kanäle zu kontrollieren, was aber wieder zu höheren Bildschirmzeiten führt.
Also hilft nur noch Digital Detox?
Durch die Reduktion der Bildschirmzeiten und die bewusste Auseinandersetzung kann man während eines Digital Detox erkennen, woher der Druck kommt und welche die Antreiber sind, die uns in die Stressfalle jagen. Und dann geht es natürlich auch ums Entspannen und zu sich finden.
Sie haben bereits viele Menschen durch die Detox-Zeit begleitet. Welche sind die größten Herausforderungen?
Das ist, die Gewohnheit zu überwinden, dass man von einem Bildschirm zum nächsten Bildschirm hetzt. Viele stellen sich dann die Frage: Was tu ich stattdessen? Je weniger Zeit wir mit uns selbst verbringen, desto mehr verkümmern unsere Interessen. Man muss also wieder lernen, wie man es mit sich selbst aushält.
Wenn man die digitale Balance gefunden hat, wie kann man sie halten?
Hilfreich ist es, den Arbeitstag zu strukturieren und E‑Mails nur mehr drei Mal täglich zu lesen. Auch analoge Hobbys, Interessen oder Beziehungen in der Realität zu pflegen, hilft. Denn wer Analoges erhält, hat damit einen sicheren Anker.
- Monika Schmiderer gilt als eine der führenden Digital-Detox-Expertinnen.
- Als diplomierte Betriebswirtin, Unternehmensberaterin und Trainerin betreut die Tirolerin seit 2007 Kunden im gesamten deutschsprachigen Raum.
- Darüber hinaus ist sie zertifizierte Meditationslehrerin und in verschiedenen Disziplinen der Humanenergetik ausgebildet.
- Ihr Wissen gibt sie unter anderem in Vorträgen oder in ihren Büchern „Switch off und hol dir dein Leben zurück“ oder „Finde Klarheit“ weiter.