Der blinde Bergsteiger Andy Holzer will Sehenden die Augen öffnen.
Der blinde Bergsteiger Andy Holzer will Sehenden die Augen öffnen. © Andreas Scharnagl
Andy Holzer

„Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men moti­viert“

Blind Climber Andy Holzer spricht im Interview über unentdeckte Potenziale.

10.01.2025 10:05 - Update am: 14.01.2025 08:14 von Ines Tebenszky
Lesezeit 5 Minuten

Mit sei­nen Erfah­run­gen will der blin­de Berg­stei­ger Andy Hol­zer den Sehen­den die Augen öff­nen, denn er ist über­zeugt, dass „sie viel mehr Poten­zi­al in sich haben, als sie glau­ben“.

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: Sie waren der ers­te blin­de Berg­stei­ger, der über die Nord­rou­te den Mount Ever­est bezwun­gen hat, haben zig ande­re Gip­fel erklom­men, machen jedes Jahr um die 100 Ski­tou­ren. Was treibt Sie an?

Andy Hol­zer: Das Leben treibt mich an, die Neu­gier­de und auch die Erfolgs­er­leb­nis­se, wenn ich etwas geschafft habe. Ich kann mir kei­ne Bil­der von den Ber­gen anse­hen, aber ich kann hin­auf­stei­gen und sie erfüh­len. Das mache ich seit 30 Jah­ren. Für mich fühlt sich das Leben ein­fach bes­ser an, wenn mein Kör­per das macht, wofür er da ist: sich zu bewe­gen. Dass ich blind bin, das kann ich mir nicht aus­su­chen, aber ich kann mir aus­su­chen, was ich damit mache. Men­schen sind für Kom­pro­mis­se geschaf­fen und die Ber­ge haben mich gelehrt, fle­xi­bel zu sein.

In Ihrem Umfeld gab es ­ver­mut­lich auch Leu­te, die Ihnen das, was Sie erreicht haben, vor­her nicht zuge­traut haben. Wie gehen Sie damit um?

Damit habe ich lan­ge gekämpft. Als ich mit dem Berg­stei­gen begon­nen habe, hat es Leu­te gege­ben, die sich das nicht vor­stel­len konn­ten. Das ist wie mit Unter­neh­mern – die machen auch immer das, was ande­re sich nicht vor­stel­len kön­nen. Die­se Leu­te mein­ten, ich wür­de nach spätes­tens 14 Tagen abstür­zen und dann hät­te sich die Sache erle­digt. Ich gehe unbe­strit­ten ein gro­ßes Risi­ko ein, es ist viel pas­siert, aber ich klet­te­re immer noch. Und die sel­ben Leu­te von damals sagen heu­te, dass ich wahr­schein­lich gar nicht blind bin. Frü­her war das ganz schlimm für mich, heu­te kann ich da­rüber nur lachen.

Wie gehen Sie mit schwie­ri­gen Situa­tio­nen um?

Es gibt oft sehr schwie­ri­ge Situa­tio­nen, wich­tig ist dabei, sich selbst nicht so wich­tig zu neh­men. Über­haupt neh­men wir alles viel zu wich­tig. Es geht nicht dar­um, ob man Feh­ler macht oder schei­tert, es geht nur dar­um, dass man zwi­schen Geburts- und Ster­be­stun­de mög­lichst vie­le Momen­te des Glücks erlebt. Es ist wich­tig, dass man auf­rich­tig mit Feh­lern umgeht und sich bewusst ist, dass mor­gen die Welt schon wie­der anders aus­schaut.

Braucht es das auch, um sei­ne Zie­le zu errei­chen?

Kei­ne Fra­ge. Man hat dadurch eine ande­re Aus­strah­lung, man bekommt eine gewis­se Leicht­fü­ßig­keit. Denn unser Umfeld ist das Spie­gel­bild von dem, was wir aus­strah­len. Zudem muss den Men­schen bewusst wer­den, dass sie viel mehr Poten­zi­al in sich haben, als sie glau­ben.

Wie las­sen sich Ihre Erfah­run­gen aus dem Berg­stei­gen auf den unter­neh­me­ri­schen All­tag umle­gen?

Ich bin ja auch Unter­neh­mer und des­halb kann ich sagen: zu 100 Pro­zent. Rein stra­te­gisch gese­hen muss man ganz anders denken.Wenn man in einer 1000 Meter hohen Fels­wand eine Ent­schei­dung tref­fen muss, ist kein ande­rer da, der dei­nen Feh­ler abfängt, da steht man immer selbst ganz vor­ne und trägt die Ver­ant­wor­tung. Die Ver­ant­wor­tung ist es auch, die in einem Unter­neh­men beflü­gelnd wirkt. Unter­neh­men, die Lehr­lin­ge aus­bil­den, rate ich immer: Gebt ihnen mög­lichst schnell das Gefühl, dass es auf sie ankommt, gebt ihnen den Hebel der Ver­ant­wor­tung in die Hand – das moti­viert.

In Ihrem Buch „Mein Ever­est. Blind nach ganz oben“ sagen Sie: „Jeder hat sei­nen Ever­est.“ Was ist das Wich­tigs­te, um ihn zu bezwin­gen?

Das Wich­tigs­te ist, ihn über­haupt zu erken­nen. Vie­le Men­schen schei­tern dar­an, ihren eige­nen Ever­est zu fin­den, lau­fen ori­en­tie­rungs­los her­um. Da soll­te man sich an klei­nen Kin­dern ori­en­tie­ren – die haben immer ein Pro­jekt, einen Ever­est, etwas das sie machen wol­len. Hat man sei­nen Traum, sei­nen Ever­est gefun­den, muss man sich dar­auf auch ein­las­sen und darf nicht nur dar­über reden. Es gibt natür­lich Leu­te, die hin­auf­stei­gen und schei­tern, das ist aber nur das Zweit­schlimms­te. Das Schlimms­te ist, über­haupt nicht hin­auf­zu­stei­gen.

Andy Hol­zer
  • Andy Hol­zer (56) aus Lienz ist von Geburt an blind.
  • Nach der Schu­le absol­vier­te er eine Aus­bil­dung zum Heil­mas­seur und Heil­ba­de­meis­ter.
  • Vor rund 30 Jah­ren begann er mit dem Berg­stei­gen und wur­de als „blind clim­ber“ welt­weit bekannt.
  • 2017 bezwang er als ers­ter blin­der Mensch den Mount Ever­est über die Nord­rou­te.
  • Sei­ne Erfah­run­gen gibt er im Buch „Mein Ever­est. Blind nach ganz oben“ ­sowie in Vor­trä­gen wei­ter, um „den Sehen­den die ­Augen zu öff­nen“.
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