„Unternehmen brauchen auch einen Flugplan“
Wie es gelingen kann, in turbulenten Zeiten Entscheidungen zu treffen, verrät Pilot Philip Keil.
35.000 Entscheidungen treffen wir täglich, 90 Prozent automatisiert, doch einige rauben uns den Schlaf. Wie es dennoch gelingen kann, in turbulenten Zeiten Entscheidungen zu treffen, verrät Pilot Philip Keil.
„Kärntner Wirtschaft“: Piloten müssen bei Turbulenzen rasch reagieren. Was vereint Unternehmer und Piloten?
Philip Keil: Über den Wolken gelten die gleichen Gesetze wie im Unternehmenscockpit. Wird es schwierig, können wir nicht rechts ranfahren und die Lage besprechen – es muss sofort eine Entscheidung getroffen werden. Das ist eine große Verantwortung und gelingt sicherlich besser mit einer guten Crew.
Welche Zutaten braucht eine gute Entscheidung?
Auch wenn im Cockpit alle Warnlichter brennen, lautet das oberste Prinzip: „Fly the aircraft first“ – egal was passiert, stabilisiere das Flugzeug. Bei der Suche nach dem Fehler nutze dein Team. Das ist entscheidend und gibt Aufschluss darüber, wie ich eine Sache sehe und welches Bild andere davon haben. Wenn dann alle Zahlen, Daten und Fakten auf dem Tisch liegen, kommt es letztlich darauf an, was mir mein Gefühl sagt. Je schwieriger die Entscheidung, desto mehr Mut und Vertrauen sind gefordert.
Was ist der größte Fehler, den man machen kann, wenn es darum geht, eine Entscheidung zu treffen?
Aus Angst vor einem Fehler keine Entscheidung zu treffen, ist sicherlich der größte Fehler.
Keine Entscheidung zu treffen, ist der größte Fehler, den man machen kann.
Philip Keil
Pilot und Keynote-SpeakerWorauf ist bei besonders schwierigen Entscheidungen zu achten?
Piloten trainieren schwierige Manöver in einem Simulator, damit sie nicht unvorbereitet in eine große Herausforderung schlittern. Das könnten auch Unternehmen machen: Sich bereits im Vorfeld überlegen, was wären meine Worst-Case-Szenarien und was mache ich dann. Es hilft enorm, eine Checkliste zu erstellen, nach der man im Ernstfall vorgeht. Unter Stress fehlen die Orientierung und der Fokus und auch die Tragweite einer Entscheidung ist ungewiss. Daher ist es enorm wichtig, vorbereitet und immer einen Schritt voraus zu sein.
Was tun, wenn sich herausstellt, dass eine Entscheidung falsch wahr?
Man trifft eine Entscheidung ja zu einem gewissen Zeitpunkt unter bestimmten Umständen. Ist ein Entschluss gefasst, der sich als falsch herausstellt, sollte man nicht ewig in den Rückspiegel blicken und damit wertvolle Zeit verlieren. Viel wichtiger ist es, Fehler offen anzusprechen und aus ihnen zu lernen, damit sie sich nicht wiederholen. Eine Fehlentscheidung hat sprichwörtlich noch nie zu einem Absturz geführt, sondern immer Fehlerketten. Und man kann nachjustieren.
Was bringt es, darauf zu warten, dass sich Probleme von alleine lösen und so Entscheidungen zu umgehen?
Gar nichts. Man kann sich nicht im Tagesgeschäft verstecken und offensichtliche, dringende Entscheidungen ignorieren. Es geht ganz klar darum, die Situation zu analysieren, unterschiedliche Sichtweisen einzuholen, Prioritäten zu setzen und letzten Endes zu entscheiden.
Werden Entscheidungen allein oder im Team getroffen?
Man muss nicht alles alleine steuern. Nach jedem Flug tauschen Kapitän und Co-Pilot die Rollen. Der, der fliegt, macht die Ansagen und hat die Verantwortung, kennt aber genau die Aufgaben des anderen. Auch in einem Unternehmen ist es sinnvoll, als Führungskraft ein Mentor für seine Mitarbeiter zu sein, sie bei Entscheidungen miteinzubeziehen, doch am Ende die Verantwortung zu tragen.
Sie sprechen im November beim Frauenwirtschaftsforum in Velden. Entscheiden Frauen anders als Männer?
Das kann ich nicht beanworten. Was ich aber aus eigener Erfahrung sagen kann ist, dass diverse Teams bessere Entscheidungen treffen, auch im Cockpit.
- Philip Keil (43) absolvierte 2001 das Abitur und startete als Pilot, Keynote-Speaker und Autor durch.
- Zu seinen Themenschwerpunkten zählen Change-Management, Führung, Kommunikation, Fehlerkultur und Teamwork.
- Seit über zwei Jahrzehnten bereist er die Welt.
- Der Fixpunkt in seinem Leben sind seine Familie und die bayrische Heimat.