„Unerwartetes annehmen und für sich nutzen“
Warum der Zufall auf dem Weg zum Erfolg nicht unterschätzt werden sollte und wie man ihn sich zunutze machen kann, weiß Zufallsforscher Christian Busch.
„Kärntner Wirtschaft“: In Ihrem Buch schreiben Sie vom Zufall als großen Erfolgsfaktor. Inwiefern kann dieser zum Glück führen?
Christian Busch: Glück an sich kann man auf zwei Arten haben. Es gibt passives Glück, wie die Geburtslotterie, aber auch aktives Glück, die sogenannte Serendipität. Das Leben an sich ist bei allen Plänen, die wir regelmäßig anfertigen, sehr oft eine Verkettung von vielen Zufällen, egal ob das Ideen, Begegnungen oder andere Geschehnisse sind. Bei Serendipität geht es darum, diese unvorhergesehenen Ereignisse so für uns zu nutzen, dass sie unser Leben positiv beeinflussen. Es geht darum, sie geschehen zu lassen und dann bewusst zu einem besseren Zweck zu verbinden.
Wird man also glücklicher, wenn man sein Leben laufen und alles dem Zufall überlässt?
Nein, darum geht es nicht. Im deutschsprachigen Raum leben wir in sehr planungsorientierten Systemen, die sowohl privat als auch im täglichen Business stark auf die exakte Berechnung von zukünftigen Ereignissen Wert legen. Das ist sinnvoll und legt auch eine großartige Basis für Erfolg. Dennoch sollte man sich einen kleinen Spielraum für Zufälle oder Faktoren, auf die man erst im Laufe des Prozesses kommt, lassen – egal ob diese auf den ersten Blick positiv oder negativ für das große Ganze sind. Ich spreche hier gerne vom rationalen Optimismus, der die Dinge annimmt, wie sie sind und den bestmöglichen Sinn daraus zieht. Ein Vorbild meinerseits ist hier sicher der Österreicher Viktor Frankl, der selbst aus den schwierigsten Momenten einen Sinn ziehen konnte.
Wie kann ich Serendipität in meinen Alltag integrieren?
Ein gutes Beispiel ist die Hakenstrategie. Man kann sich zwei, drei Themen überlegen, die man in Konversationen einfließen lassen kann – und die dann oftmals zu „zufälligen“ Überschneidungen führen. Denn viele von uns beschäftigen abseits vom Beruflichen Dinge wie Familie oder Gesundheit. Wenn das Gegenüber „anbeißt“, ergibt sich vielleicht ein Gespräch oder ein toller Kontakt, der einem früher oder später von Nutzen sein kann.
Eine gewisse Offenheit für Unerwartetes sollte Teil jeder Unternehmenskultur sein.
Christian Busch
ZufallsforscherDafür braucht es aber oft eine gesunde Portion Selbstbewusstsein, oder?
Ein gesunder Selbstwert hilft in dieser Hinsicht. Hier könnte man sich etwa überlegen: „Was ist das Schlimmste, was passieren kann, wenn ich Thema XY jetzt im Meeting anspreche?“ Es gibt so viele nicht realisierte Projekte, Freundschaften oder Erfolgsgeschichten, weil man im entscheidenden Moment nicht mutig genug war. Diesen Mut kann man trainieren wie einen Muskel. Wenn ein Haken nicht funktioniert, versuche ich einen anderen. Wichtig ist hier nur, dass man authentisch bleibt. Und vor allem introvertierte Menschen ziehen ihre Zufälle auch oft aus anderen Quellen, etwa aus Büchern oder einem Podcast.
Wie lässt sich Serendipität in die Unternehmens- und Führungskultur integrieren?
Eine gewisse Offenheit für Unerwartetes sollte immer Teil des Plans sein. Führungskräfte könnten in jedem Meeting die Frage stellen, was denn jeden Einzelnen in der vergangenen Woche überrascht hat. So werden die Sinne für neue Aspekte im täglichen Tun geschärft. Vielleicht kommt es so sogar zu Innovationen, wenn man die Punkte der Mitarbeiter verknüpft.
Gibt es eine besondere Geschichte oder Begegnung, die für Sie persönlich die Macht des Zufalls verdeutlicht hat?
Ja, sehr viele. Die bedeutendsten sind sicherlich ein Autounfall, den ich in jungen Jahren mit viel Glück überlebt habe und die Tatsache, dass ich 2020 in New York zufälligerweise eine alte Bekannte wieder getroffen habe. Heute ist sie meine Frau und wir haben eine kleine Tochter. Diese Ereignisse waren nicht planbar und haben mich dort hingeführt, wo ich heute bin.
Christian Busch ist Professor für angewandtes Management und Organisation an der Marshall School of Business der University of Southern California in Los Angeles. Der gebürtige Deutsche ist unter den „30 Management-Denkern, die die Zukunft prägen werden“ (Thinkers50), ein Mitglied im Expertenforum des Weltwirtschaftsforums und ein Fellow der Royal Society of Arts. Sein Bestseller „Erfolgsfaktor Zufall“ erschien 2023 auf Deutsch im Murmann Verlag.