„Es werden mehr Parteien im Parlament“
Europawahl und Nationalratswahl stehen vor der Türe: Politologe und Meinungsforscher Peter Hajek spricht über die Stimmung im Land und die Themen, die die Menschen beschäftigen.
„Kärntner Wirtschaft“: Wie ist die Stimmung in Österreich im Superwahljahr?
Peter Hajek: Die Stimmung im Land ist eigentlich nicht gut. Die Menschen sind sehr kritisch was die Arbeit der Bundesregierung anbelangt. Das ist bis zu einem gewissen Grad nicht ganz nachvollziehbar, denn trotz allem steht Österreich sehr gut da. Es gibt natürlich Probleme wie eine erhöhte Inflationsrate, aber auf der anderen Seite hat man einen Arbeitnehmermarkt und die Energiepreise haben sich stabilisiert. Wir neigen in Österreich eher dazu, das Glas halb leer als halb voll zu sehen.
Welche Auswirkungen hat das auf die kommenden Wahlen?
Aufgrund dieser Unzufriedenheit gibt es auch neue Gruppierungen, die in Österreich zur Wahl antreten werden, zum Beispiel die Liste Bier hat gute Chancen in den Nationalrat einzuziehen. Alle neuen Gruppierungen sind ein Ausdruck der Unzufriedenheit im Land und das wird sich bei der Nationalratswahl im Herbst wahrscheinlich so darstellen, dass wir ein Sechs- oder Sieben-Parteien-Parlament haben. Das hatten wir in Österreich noch nie.
Wie wirkt sich das auf die Wirtschaft aus?
Politik und Wirtschaft bedingen sich gegenseitig. Das Problem ist aber, man kann es meistens nicht allen recht machen. Die Politik gibt die Rahmenbedingungen vor und die Wirtschaft versucht natürlich, ihre Interessen durchzusetzen. Deshalb sind auch die Europaparlamentswahlen für die exportorientierte österreichische Wirtschaft von Bedeutung, weil viele Gesetze auf europäischer Ebene gestaltet werden. Heimische Betriebe haben durchaus die Sorge, im internationalen Wettbewerb zurückzubleiben.
Welche Themen bewegen die Menschen aktuell?
Es gibt fünf Themen, die die Menschen schon längere Zeit bewegen: Asyl und Migration, Gesundheit und das bereits vor Corona, Teuerung, Wohnen sowie Klimawandel und Umweltschutz als Generationsthema, das nicht mehr weggehen wird. Diese Themen machen den Wahlkampf aus.
Wenn man auf innovative Schritte der Politik wartet, wartet man meistens sehr lang.
Peter Hajek
Politologe und MeinungsforscherMit diesen Themen lassen sich die Menschen abholen?
Ja, eigentlich ist es relativ simpel. Aber der Unterschied zwischen Politik und Wirtschaft bezogen auf die Markt- und Meinungsforschung ist jener, dass Unternehmen viel mehr auf die Marktforscher hören als politische Organisationen. Am Ende des Tages müssen beide die Themen der Menschen erkennen und ihnen dafür Lösungen anbieten. Darin sind nicht alle Parteien in Österreich gleich gut.
Sie sind auch selbstständig. Welche Rahmenbedingungen müssten verbessert werden?
Das ist sehr branchenabhängig. Aber etwas, was auch mich in der Werbung und Marktbkommunikation betrifft, sind die Personalkosten. Die Lohnnebenkosten bleiben ein Thema.
Was geben Sie anderen Selbstständigen mit auf dem Weg?
Verlassen Sie sich nicht auf die Politik, schreiten Sie voran und machen Sie das Beste für Unternehmen, das heißt, schauen Sie, dass Sie mit den Rahmenbedingungen gut arbeiten können. Wenn man auf innovative Schritte der Politik wartet, wartet man meistens sehr lang. Als Wähler wählen Sie nicht taktisch, sondern wählen Sie immer das, von dem Sie wirklich überzeugt sind. Selbst wenn es das kleinste geringste Übel ist.
Peter Hajek, geboren 1971, studierte Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Wien, absolvierte den Hochschullehrgang Markt- und Meinungsforschung sowie das Doktoratsstudium Politikwissenschaft. Beruflich widmete er sich von Beginn an der Markt- und Meinungsforschung, 2007 gründete er sein eignes Unternehmen. Zudem lehrt er an verschiedenen Hochschulen. 2014 wurde er wissenschaftlicher Leiter und Miteigentümer der Unique Research. Außerdem ist er wöchentlich in einer Politik-Show im TV zu sehen. In seiner Freizeit ist Hajek bekennender Rapid-Fan und geht in Wien gerne ins Theater.
Weitere Interviews finden Sie hier: Interviews