Nora Dietrich ist überzeugt, wer in seine mentale Gesundheit investiert, investiert in den Erfolg seines Betriebes.
Nora Dietrich ist überzeugt, wer in seine mentale Gesundheit investiert, investiert in den Erfolg seines Betriebes. © KK/Alina Atzler
Nora Dietrich

„Men­ta­le Gesund­heit ist kein DIY-Pro­jekt“

Wer künftig als Unternehmen wachsen und leistungsfähig bleiben will, muss die mentale Gesundheit stärken, weiß Nora Dietrich.

06.03.2025 12:08 von Anita Arneitz
Lesezeit 5 Minuten

Unter­neh­men müs­sen die men­ta­le Gesund­heit stär­ken – sei­ne eige­ne und jene des Teams. Tipps von Psy­cho­the­ra­peu­tin Nora Diet­rich.

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: War­um fällt es so schwer, Zukunft posi­tiv zu den­ken?

Nora Diet­rich: Wir befin­den uns seit Jah­ren in einer Poly­kri­se, das heißt, es gibt meh­re­re über­lap­pen­de Kri­sen und in die­sem sozia­len Stress­mo­ment sind wir gesell­schaft­lich sehr erschöpft. Je mehr Kri­sen auf uns ein­pras­seln, des­to grö­ßer wird die Hilf­lo­sig­keit. Vie­le wol­len den Kopf in den Sand ste­cken und hof­fen, dass es irgend­wann schon bes­ser wird.

… aber das funk­tio­niert nicht?

Nein, statt­des­sen brau­chen wir Räu­me, in denen wir uns selbst­wirk­sam füh­len. Das ist so ein Gefühl der Kon­troll­rück­ge­win­nung. Wenn ich tat­säch­lich Ein­fluss auf Din­ge neh­men kann, zum Bei­spiel an mei­nem Arbeits­platz, spü­re ich wie­der Selbst­wirk­sam­keit und Zukunfts­mut ent­wi­ckeln. Die­ser moti­viert uns dazu, zu gestal­ten und vor­an­zu­ge­hen.

Der Arbeits­all­tag muss so gestal­tet wer­den, dass Pau­sen mach­bar sind.Zitat Ende

Nora Diet­rich

Psy­cho­the­ra­peu­tin und Exper­tin für men­ta­le Gesund­heit

Was braucht es, damit das in der Wirt­schaft mög­lich wird?

Gene­rell ist es wich­tig Vor­bil­der zu haben. Men­to­ren, die uns zei­gen, wel­che Ein­fluss­be­rei­che wir haben oder uns Zugang zu die­sen ver­schaf­fen. Und wir brau­chen gute Nach­rich­ten, um optimis­tisch zu blei­ben. In der Arbeits­welt könn­ten wir uns auf Erfol­ge fokus­sie­ren oder Din­ge, die wir bereits gemeis­tert haben.

Wie blei­ben wir in die­sen schwie­ri­gen Zei­ten men­tal gesund?

Einer der größ­ten Fak­to­ren ist die Ent­stig­ma­ti­sie­rung. Men­ta­le Gesund­heit darf kein Tabu­the­ma mehr sein. Wir müs­sen anfan­gen stär­ker dar­über zu spre­chen. Das fängt im Klei­nen, zum Bei­spiel im eige­nen Team, an. Auch hier haben Füh­rungs­kräf­te eine Vor­bild­funk­ti­on, sie müs­sen nicht immer Stär­ke zei­gen. Men­ta­le Gesund­heit ist eine Fähig­keit, die wir ler­nen müs­sen. Die wenigs­ten haben zu Hau­se mit­be­kom­men, über ihre Emo­tio­nen zu spre­chen und damit umzu­ge­hen. Work­shops und Wei­ter­bil­dun­gen kön­nen hier­für ein Hebel sein.

© KK/Nora Diet­rich

Wel­che Bedeu­tung spielt men­ta­le Gesund­heit in neu­en Arbeits­wel­ten?

Bei „New Work“ geht es dar­um, wie­der die Mensch­lich­keit in den Fokus zu rücken und Arbeits­plät­ze zu schaf­fen, die etwas für Men­schen tun statt nur etwas weg­zu­neh­men. Also geht es um die Fra­ge, wie kann Arbeit auch ein Ort sein, der Gesund­heit för­dert. Je gesün­der wir sind, des­to mehr kön­nen wir leis­ten – und in Teams wol­len wir tol­le Leis­tun­gen, die nach­hal­tig sind. Der Job wird an die Bedürf­nis­se der Men­schen ange­passt, nicht das Leben an den Job. Damit wer­den see­len­lo­se Büro­zel­len zu krea­ti­ven Orten, die Begeg­nung ermög­li­chen.

Was bedeu­tet rege­ne­ra­ti­ve Unter­neh­mens­kul­tur?

In der Wirt­schafts­welt zählt das Cre­do höher, schnel­ler, wei­ter. Wachs­tum ist wich­tig, aber wir haben uns jahr­zehn­te­lang nicht mit der Fra­ge beschäf­tigt, woher die Ener­gie dafür kommt. Zu wach­sen und grö­ße­re Zie­le zu ver­fol­gen, ist ein Teil von men­ta­ler Gesund­heit. Aber dafür braucht es den Rück­fluss an Ener­gie. In einer rege­ne­ra­ti­ven Unter­neh­mens­kul­tur geht es dem­entspre­chend auch um Pau­sen. Das Team inves­tiert in sich selbst und baut Resi­li­enz auf, um auf die nächs­te Stress­wel­le vor­be­rei­tet zu sein. Men­ta­le Gesund­heit ist kein Do-it-yours­elf-Pro­jekt. Wir brau­chen dafür ein sozia­les Netz­werk, Mög­lich­keits­räu­me und Men­to­ren.

Kon­kre­te prak­ti­sche Tipps für den All­tag wären?

Die Mit­tags­pau­se im Kalen­der blo­cken, kla­re Struk­tu­ren schaf­fen, gemein­sa­me Ritua­le im Team ent­wi­ckeln wie eine klei­ne Medi­da­ti­on am Mor­gen, Dates mit E‑Mails, um Druck her­aus­zu­neh­men und Unter­stüt­zung aus dem Netz­werk holen.

Zur Per­son
  • Nora Diet­rich wur­de 1988 in Ber­lin gebo­ren und ist heu­te unter ande­rem als Key­note­spea­ke­rin, Trai­ne­rin und Buch­au­to­rin selbst­stän­dig tätig.
  • Sie absol­vier­te die Aus­bil­dung zur psy­cho­lo­gi­schen Psy­cho­the­ra­peu­tin für Ver­hal­tens­the­ra­pie und sam­mel­te Erfah­run­gen als Direc­tor of Peo­p­le and Cul­tu­re in einer Digi­ta­l­agen­tur. 2024 grün­de­te sie die Bet­ween Peo­p­le GmbH.
  • Im Mai 2025 erscheint ihr neu­es Buch „Men­tal Health at Work: Wie wir unse­re bes­te Arbeit machen und dabei gesund blei­ben“, Ver­lag Vah­len.
  • Ihre Frei­zeit ver­bringt sie mit ihrem zwei­jäh­ri­gen Sohn auf Spiel­plät­zen, macht Sport, tanzt ger­ne und pflegt Freund­schaf­ten.
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