Verfassung
braucht Akzeptanz
Über die Auswirkungen von Inflation und Klimawandel auf die Demokratie, sprach Matthias Lukan.
Matthias Lukan, Professor für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht, beleuchtete bei den Demokratiegesprächen der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft Kärnten, die politischen Auswirkungen des Klimawandels. Lukan betonte, dass in einer Demokratie das Volk die Macht hat und durch Wahlen Entscheidungen trifft.
„Eine starke Demokratie und eine klare Verfassung bieten den Rahmen, um wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Die Verfassung braucht Akzeptanz in der Bevölkerung, da sie die Grundlage der Willensbildung ist. Umso wichtiger ist die Mitbestimmung der Bürger, die durch demokratische Prozesse ihre Anliegen einbringen können.“
Wie kann diese Verdrossenheit überwunden werden?
Matthias Lukan: Die Bundesverfassung kennt unterschiedliche „Ventile“, über die die Bevölkerung ihrer Verdrossenheit über staatliches Tun oder Unterlassen Ausdruck verleihen kann. Dabei stehen aktuell zwei Instrumente besonders im Vordergrund – die Versammlungsfreiheit beziehungsweise das Demonstrationsrecht und die Verfassungsgerichtsbarkeit. Die „Letzte Generation“ übt im Rahmen ihrer „Klebeaktionen“ ihr demokratisches Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus. Den VfGH erreichen derzeit – ebenso wie Verfassungsgerichte anderer Staaten und den EGMR – vermehrt Klimaklagen. Aufgabe des VfGH ist es aber eigentlich nicht, die – offenbar in der Gesellschaft so empfundene – Untätigkeit des Gesetzgebers in diesem Bereich auszugleichen. Es ist vor allem am Gesetzgeber, ausreichende Maßnahmen gegen den Klimawandel zu treffen. Es ist schade, dass in Europa vielfach die Verfassungsgerichte bzw. EGMR diese Untätigkeit „rügen“ müssen.
Was ist die zentrale Botschaft ihres Impulsvortrags?
Wir kennen aus unserer eigenen Geschichte, dass es für den Fortbestand unserer repräsentativ-demokratischen Verfassung gefährlich ist, wenn Demokratieverdrossenheit oder mangelndes Vertrauen in die Leistungs- und Problemlösungsfähigkeit einer Verfassung und ihres Systems Überhand nehmen. Um das Vertrauen in und die Akzeptanz des B‑VG 1920 war es in der ersten Republik zwischen den beiden großen politischen Lagern nicht gut bestellt. Die demokratische Verfassung ging in den 1930er-Jahren unter. Sie wurde durch die ständisch-autoritäre Verfassung ersetzt. Nach dem zweiten Weltkrieg bestand hingegen zwischen diesen Lagern der Wille zur Zusammenarbeit. Die Bundesverfassung hatte ab diesem Zeitpunkt hohe Akzeptanz sowohl bei den Politikern als auch in der Bevölkerung. Eine Verfassung und ihre demokratische Ordnung sind auf diese Akzeptanz angewiesen.
Demokratie vs. Inflation und Klimawandel?
Diese Begriffe stehen in keinem Widerspruch oder Widerstreit zueinander. Die Herausforderungen unserer Zeit, insbesondere der Inflation und des Klimawandels können und müssen im Rahmen „unseres“ demokratischen System überwunden werden.
Matthias Lukan ist Universitätsprofessor für Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht. Seine Forschungstätigkeit überspannt das Verwaltungsrecht, das Verfassungsrecht und das Europarecht. Lukan wurde im September 2022 an der WU Wien die Lehrbefugnis (venia docendi) für die Fächer „Öffentliches Recht“ und „Europarecht“ verliehen. Von Oktober 2022 bis September 2023 war er am Verfassungsgerichtshof als Verfassungsrechtlicher Mitarbeiter tätig. Seit Oktober 2023 ist er Professor an der Universität Graz.