„Jetzt nimmt der Klimawandel an Fahrt auf“
ORF-Meteorologe Marcus Wadsak erklärt im Interview, warum es wichtig ist, selbst aktiv etwas gegen den Klimawandel zu tun.
In den vergangenen Monaten war Kärnten stark von Wetterextremen betroffen. Warum diese keine Seltenheit mehr sind und wie wichtig es ist, selbst etwas aktiv gegen den Klimawandel zu tun, erklärt ORF-Meteorologe Marcus Wadsak.
„Kärntner Wirtschaft“: Sie beschäftigen sich schon lange mit dem Klimawandel. Was überrascht Sie denn am meisten?
Marcus Wadsak: Überrascht hat mich wenig, weil uns die Wissenschaft seit den 1970er-Jahren vor diesen Entwicklungen warnt. Trotz all der Veränderungen wird aber noch immer zu wenig gehandelt und nicht wirklich versucht, das Schlimmste zu verhindern. Was letztendlich doch überrascht, ist, wie dramatisch schnell der Klimawandel jetzt an Fahrt aufgenommen hat. Die Prognosen waren eher zu konservativ.
Welche Maßnahmen wären jetzt am effektivsten?
Der Ausstoß von Treibhausgasen steigt noch immer, auch in Österreich. Es gibt Bereiche, in denen die Emissionen leicht gesenkt werden konnten, in anderen steigen sie weiter an, zum Beispiel im Verkehr. Wenn wir in Österreich, wo es möglich ist, kurze Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zurücklegen, auf Öffis umsteigen und 100 statt 130 auf der Autobahn fahren, hätten wir wahnsinnig viel erreicht.
Global gesehen wirkt das dennoch wie ein Tropfen auf den heißen Stein …
Das ist eine verständliche Reaktion auf etwas, was überfordert. Wir erleben gerade Wetterextreme und jeder schiebt es auf den anderen. Österreich macht 0,1 Prozent der Weltbevölkerung aus, hat aber einen Beitrag von 0,2 Prozent an den Emissionen. Damit stoßen wir doppelt so viel Treibhausgase aus wie das globale Mittel. Jedes Kilogramm CO2, das eingespart werden kann, ist wichtig. Und wir sind nicht alleine. Weltweit kämpfen Menschen gegen die Klimakatastrophe an.
Wir müssen uns an das neue Wetter gewöhnen und das Klima wieder stabilisieren.
Marcus Wadsak
Meteorologe und AutorWelche neuen Chancen bringt der Klimawandel?
Österreich kann zu einem Vorreiter werden bei neuen Energie- oder Mobilitätsformen. Alle, die jetzt an Verbrennungsmotoren festhalten, werden scheitern. Sie sind überholt. Wir müssen uns neuen Dingen öffnen. Auch die Industrie. Das Burgenland hat früh auf Wind- und Sonnenenergie gesetzt und ist seit einigen Jahren stromautark. Ich bin überzeugt, dass auch die Industrie für die Erzeugung von Stahl und Beton neue klimafreundliche Produktionsverfahren entwickeln könnte. Solche Lösungen wären weltweit gefragt.
Sind die extremen Unwetter in Kärnten auch auf den Klimawandel zurückzuführen?
Eindeutig ja. Obwohl natürlich nicht jedes Unwetter klimabedingt ist. Aber durch den Klimawandel häufen sich Extremwetterereignisse. Das Italientief an sich ist nichts Neues, aber durch die wärmere Atmosphäre gibt es mehr Regenmengen – und darauf sind wir nicht vorbereitet.
Welche Schutzmaßnahmen sind sinnvoll?
Wir haben zwei Möglichkeiten: Zum einen Treibhausgase und Erwärmung reduzieren, um unser Klima wieder zu stabilisieren. Zurück zum alten Normal geht nicht mehr, wir müssen lernen damit umzugehen, dass es zwei Grad mehr sind in Österreich. Zum anderen können wir mit Schutzeinrichtungen wie mobilen Dämmen das Schlimmste verhindern.
Was können Betriebe selbst tun?
Erste Schritte wären zum Beispiel Fahrgemeinschaften, weniger Fleisch in der Kantine oder Energie sparen. Es ist erstaunlich, wie viel Energie verloren geht, wenn Computer über Nacht laufen oder die Klimaanlage nicht richtig eingestellt wird. Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels spürt und die letzte, die etwas dagegen tun kann.
- Marcus Wadsak maturierte 1989 und schloss sein Meteorologie-Studium 1997 an der Universität Wien ab.
- Jahrelang war er Wetter-Anchor im Ö3-Wecker. Seit 2004 moderiert er das ZIB-Wetter.
- Seit 2012 leitet Wadsak die ORF-Wetterredaktion und wurde 2019 zum „Journalisten des Jahres“ in der Kategorie Wissenschaft gewählt. Er ist Gründungsmitglied von Climate without Borders.
- Im Braumüller-Verlag veröffentlichte er das Buch „Klimawandel, Fakten gegen Fake & Fiction“.
- Beim Bundestag der Immobilienwirtschaft in Velden hat der Wetterexperte über den Klimawandel, Nachhaltigkeit und Energiewende gesprochen.