Axel Koch spricht unter anderem über das Ablegen alter Gewohnheiten.
Axel Koch spricht unter anderem über das Ablegen alter Gewohnheiten. © Dominik Pfau
Axel Koch

„Gewohn­hei­ten sind in unse­rem Kopf orga­nisch fixiert“

Axel Koch, Autor, Diplom-Psychologe und Entwickler der Transferstärke-Methode erzählt, wie man ungeliebte Gewohnheiten ablegen kann.

03.03.2025 12:29 - Update am: 06.03.2025 08:24 von Sarah Moser
Lesezeit 10 Minuten

Axel Koch ist einer der füh­ren­den Ver­än­de­rungs­psy­cho­lo­gen. Der pro­mo­vier­te Diplom-Psy­cho­lo­ge spricht mit der „Kärnt­ner Wirt­schaft“ über Rück­fall­plä­ne und erklärt, was es mit der „Erfolgs­mus­ter­fal­le“ auf sich hat.

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: Wie kön­nen Unter­neh­men sys­te­ma­tisch ana­ly­sie­ren, wel­che Gewohn­hei­ten hin­der­lich sind?

Axel Koch: Zunächst erst mal ist wich­tig zu sagen, was über­haupt eine Gewohn­heit ist. Damit ist ein bestimm­tes Denk- und Ver­hal­tens­mus­ter beschrie­ben, das sich wie­der­holt beob­ach­ten lässt. Zum Bei­spiel ist solch eine Gewohn­heit „die Poli­tik der offe­nen Tür“. Das heißt, die Tür ist auf und jede und jeder kann jeder­zeit in das Büro des Kol­le­gen hin­ein­kom­men und ihn anspre­chen und bei der Arbeit unter­bre­chen. Und die typi­sche Reak­ti­on ist dann die eige­ne Arbeit zu unter­bre­chen und sich dem Kol­le­gen zu wid­men. Aus der For­schung ist bekannt, dass sol­che stän­di­gen Arbeits­un­ter­bre­chun­gen zum einen Stress aus­lö­sen, zum ande­ren eine inef­fi­zi­en­te Arbeits­wei­se bedeu­ten. Ob nun eine Gewohn­heit hin­der­lich ist oder nicht, liegt ein Stück weit im Auge des Betrach­ters.

Ich habe eine Abschluss­ar­beit einer Bache­lor­stu­den­tin betreut, die mei­nen The­men­vor­schlag auf­ge­nom­men hat. Die Stu­die­ren­de Maren Schult­heiss hat sich dem The­ma „Die Kos­ten von Bad Habits“ in der Arbeit gewid­met. Dabei kam eben her­aus, dass Vor­ge­setz­te bestimm­te Denk und Ver­hal­tens­wei­sen der Mit­ar­bei­ten­den durch­aus unter­schied­lich bewer­ten. Mit Blick auf die Fra­ge bedeu­tet dies, genau­er zu defi­nie­ren, wel­che Gewohn­hei­ten als hin­der­lich bzw. Kos­ten ver­ur­sa­chend zu betrach­ten sind. Auch ein typi­sches Bei­spiel: Mee­ting­zei­ten wer­den nicht ein­ge­hal­ten, weil eine ent­spre­chen­de Mode­ra­ti­on bezie­hungs­wei­se Mee­ting-Vor­be­rei­tung fehlt. Wenn also aus Unter­neh­mens­sicht hin­der­li­che Gewohn­hei­ten beschrie­ben sind, dann kön­nen zum Bei­spiel Mit­ar­bei­ten­de selbst oder auch deren Vor­ge­setz­te sys­te­ma­tisch erfas­sen, wie oft die­se Gewohn­hei­ten pas­sie­ren und was sie bei­spiels­wei­se an Zeit und Geld kos­ten. Als Fol­ge ließ sich dann näher defi­nie­ren, wel­ches bes­se­re Gewohn­hei­ten sind, die zum Bei­spiel pro­duk­ti­ver machen oder eben auch Men­schen nicht ner­ven oder stres­sen. (Quel­le: Schult­heiss, M. & Koch, A. (2025). Bad Habits. Per­so­nal­ma­ga­zin)

Haben Sie eine bestimm­te Metho­de oder Tech­nik, um alte Gewohn­hei­ten abzu­le­gen?

Ich habe die Trans­fer­stär­ke-Metho­de ent­wi­ckelt, die dar­auf abzielt, Men­schen zu befä­hi­gen, Ver­än­de­run­gen erfolg­reich und nach­hal­tig umzu­set­zen. Die Basis dafür beruht auf 18 Model­len aus der Lerntransfer‑, The­ra­pie- und Ver­än­de­rungs­for­schung. Ich habe die­se bereits wis­sen­schaft­lich fun­dier­ten Befun­de genutzt, um auf deren Basis ein eige­nes Modell der Trans­fer­stär­ke an 2500 Pro­ban­den zu ent­wi­ckeln. Es ist also eine Art „Best of“-Modell des­sen, was man in der For­schung schon weiß.

Vor die­sem Hin­ter­grund brin­ge ich Men­schen bei, wie sie zum Bei­spiel den Rück­fall in alte Gewohn­hei­ten bes­ser mana­gen kön­nen. Denn das ist das größ­te Pro­blem für vie­le. Die Grund­idee die­ser Rück­fall­ma­nage­ment-Tech­nik ist zu wis­sen, dass es Vor­bo­ten, also Anzei­chen gibt, die einem zei­gen, dass man wie­der in das alte unlieb­sa­me Ver­hal­ten hin­ein­fal­len wird. Die­se Vor­bo­ten sind wie Stra­ßen­schil­der an der Auto­bahn, die einem die Aus­fahrt anzei­gen. Wenn ich die­se Vor­bo­ten früh­zei­tig erken­ne und einen kla­ren Plan habe, was ich dann tue, um nicht wie­der die alten Ver­hal­tens­wei­sen zurück­zu­fal­len, son­dern statt­des­sen das gewünsch­te neue Ver­hal­ten zu rea­li­sie­ren, dann klappt das sehr viel bes­ser.

© Julia Wal­ker

Wie lan­ge dau­ert es Ihrer Erfah­rung nach, eine Gewohn­heit zu ändern oder abzu­le­gen?

Ich mache sehr gute Erfah­run­gen damit, dass ich den Men­schen sage, dass sie min­des­tens zwei bis drei Mona­te bewusst Zeit ein­pla­nen, um ein neu­es Ver­hal­ten auf­zu­bau­en, zum Bei­spiel in dem sie einen aus­ge­ar­bei­te­ten Rück­fall­plan ver­fol­gen. In der For­schung gibt es ver­schie­de­ne Aus­sa­gen dar­über, wie lan­ge eine Ver­än­de­rung von Gewohn­hei­ten dau­ert. Da gibt es die besag­ten zwei bis drei Mona­te, es fin­det sich aber auch der Zeit­raum von min­des­tens einem hal­ben Jahr und die Erfah­rung zeigt, dass es auch tief ver­an­ker­te Gewohn­hei­ten gibt, die durch die eige­ne Lebens­ge­schich­te geprägt sind, wo es noch län­ger dau­ert und bis­wei­len eine lebens­lan­ge Auf­ga­be ist, hier bes­se­re Ver­hal­tens­wei­sen zu zei­gen.

War­um fällt es Unter­neh­men oft schwer, sich von alten Struk­tu­ren oder Arbeits­wei­sen zu lösen?

Das liegt zum einen an der soge­nann­ten „Erfolgs­mus­ter­fal­le“. Wie eben beschrie­ben, bil­den sich Gewohn­hei­ten aus, wenn sie sub­jek­tiv gese­hen erfolg­reich sind. Des­halb fin­den wir oft den Absprung nicht, uns von Gewohn­hei­ten zu tren­nen. Die­se Fal­le kön­nen wir auch bei Unter­neh­men beob­ach­ten, die mit einem Pro­dukt mal sehr erfolg­reich waren, dann aber nicht mer­ken, dass sich die Zeit geän­dert hat. Belieb­tes Bei­spiel ist hier die Fir­ma Kod­ak, die zu lan­ge wei­ter ihre Kar­ten auf Zel­lu­loid­film setz­te, anstatt auf Digi­tal­fo­to­gra­fie umzu­stel­len. Im Jahr 2012 pas­sier­te es dann, dass Kod­ak, der Pio­nier der Foto­gra­fie, Insol­venz anmel­den muss­te, weil die Fir­ma die Digi­ta­li­sie­rung ver­schla­fen hat­te. Der ande­re Grund liegt dar­in, dass Gewohn­hei­ten in unse­rem Kopf sozu­sa­gen orga­nisch fixiert sind. Gewohn­hei­ten sind aus Sicht des Gehirns sehr gut gebahn­te Ner­ven­zell­ver­bin­dun­gen — qua­si Daten­au­to­bah­nen. Und die las­sen sich genau­so wenig wie ech­te Auto­bah­nen schnell umbau­en oder neu bau­en. Es braucht also Zeit, Geduld und Arbeit, um sich aus alten Rou­ti­nen zu lösen. Die Erfolgs­mus­ter­fal­le und die Funk­ti­ons­wei­se unse­res Gehirns gilt es also im Blick zu haben, damit Ver­än­de­rung bes­ser gelingt.

Kann das Able­gen alter Gewohn­hei­ten auch zu weni­ger Stress füh­ren?

Die meis­ten Men­schen fan­gen an, Gewohn­hei­ten zu ver­än­dern, weil sie dar­un­ter lei­den. Sie lei­den zum Bei­spiel unter ihrer Figur und fin­den sich zu dick. Oder es nervt sie, dass sie immer zu allem Ja und Amen sagen, anstatt sich abzu­gren­zen und für ihre eige­nen Bedürf­nis­se ein­zu­ste­hen. Und so gibt es vie­le Bei­spie­le dafür, dass wir qua­si des­halb in eine Art Stress kom­men, weil unse­re Gewohn­hei­ten dys­funk­tio­nal sind. Wenn es uns folg­lich gelingt, aus den alten Mus­tern aus­zu­stei­gen, dann zielt dies dar­auf ab, eine bes­se­re Arbeits- bezie­hungs­wei­se Lebens­si­tua­ti­on erzie­len zu wol­len. Oder anders gesagt, dadurch weni­ger Stress und Lei­dens­druck zu haben.

Der Haken dabei ist, dass man erst mal eine Pha­se hat, wo es anstren­gend ist und man Geduld mit sich selbst braucht, um ein neu­es Den­ken und Ver­hal­ten so lan­ge zu wie­der­ho­len, bis es einem in Fleisch und Blut über­ge­gan­gen ist. Denn erst wenn solch eine neue Gewohn­heit ent­stan­den ist, dann ist es rich­tig ent­las­tend. Man den­ke nur an die ers­ten Fahr­stun­den im Auto. Das ist anfangs über­haupt nicht leicht und sehr anspruchs­voll. Man­che emp­fin­den das als puren Stress. Wer aber dran­bleibt und sich nicht ent­mu­ti­gen lässt, erlebt dann eines Tages, dass er ganz ent­spannt Auto fah­ren kann, dabei Radio hören oder mit dem Bei­fah­rer spre­chen kann. Ent­schei­dend ist in die­ser Über­gangs­pha­se, wo es noch anstren­gend ist, sich immer wie­der vor Augen zu hal­ten, wie schön es ist, wenn man die neu­en Gewohn­hei­ten auf­ge­baut hat und dies dann auto­ma­tisch abläuft.

Was macht eine nach­hal­ti­ge Ver­hal­tens­än­de­rung aus?

Ein wich­ti­ger Gedan­ke ist, dass Ver­hal­tens­än­de­rung immer dann nicht von Dau­er ist, wenn man sich mit star­kem Wil­len dazu zwingt. Des­halb bringt bei mir das Wort „Ver­zicht“ die Asso­zia­ti­on, dass hier auch Kampf mit ver­bun­den ist. Ich ver­zich­te bewusst auf etwas. Wenn ich mich kon­trol­lie­ren muss, um etwas nicht zu tun, dann ist es am Ende nicht stim­mig und aus psy­cho­lo­gi­scher Sicht ein inne­rer Kon­flikt. Es gibt den einen Teil, der etwas möch­te und den ande­ren Teil, der etwas ande­res möch­te.

Bei­spiel: Ich erle­be oft Füh­rungs­kräf­te, die ihren Per­fek­tio­nis­mus los­wer­den wol­len. Sie wür­den ger­ne auf die­sen rie­sen­ho­hen Anspruch an sich selbst und ande­re ver­zich­ten. Im Grun­de ist die­ser Anteil der Per­sön­lich­keit wie ein unge­lieb­ter Mit­ar­bei­ter, den man am liebs­ten raus­schmei­ßen möch­te. Psy­cho­lo­gisch pas­siert dann aber das­sel­be, als wenn man einen Ball unter Was­ser drückt. Irgend­wann lässt die Arm­kraft nach und der Ball fluppt wie­der an die Ober­flä­che.

Wie kann es hel­fen, sich die posi­ti­ve Absicht hin­ter einem Ver­hal­tens­mus­ter bewusst zu machen, anstatt es ein­fach nur abzu­le­gen oder zu bekämp­fen?

Ein bes­se­rer Zugang ist in dem Fall, sich die Fra­ge zu stel­len, wozu ein bestimm­tes Ver­hal­tens­mus­ter gut ist? Was ist die posi­ti­ve Absicht dahin­ter? Was ist der psy­cho­lo­gi­sche Gewinn? Beim The­ma Per­fek­tio­nis­mus ist der psy­cho­lo­gi­sche Gewinn zum Bei­spiel hohe Leis­tungs­fä­hig­keit und damit oft hohe Aner­ken­nung. Inso­fern — wenn ich ver­zich­te, ver­lie­re ich die hohe Aner­ken­nung. Zumin­dest in unse­rer inne­ren Psycho-Logik. Wenn ich aber anfan­ge, die posi­ti­ve Absicht zu sehen, die­se zu wert­schät­zen und zu wür­di­gen, dann ist das der Anfang dafür, neue Ver­hal­tens­wei­sen zu ent­wi­ckeln, die sich inner­lich stim­mig und rund anfüh­len und wo es kei­ne Kon­trol­le und Wil­lens­kraft braucht, um die­se umzu­set­zen. Die­se Denk­wei­se ist aber eher ent­ge­gen der nor­ma­len Intui­ti­on und des­halb auch gewöh­nungs­be­dürf­tig, so mit sich selbst umzu­ge­hen.

Zur Per­son

Axel Koch ist Ver­än­de­rungs­psy­cho­lo­ge und Pro­fes­sor für Trai­ning und Coa­ching an der Hoch­schu­le für ange­wand­tes Manage­ment. Er ist Ent­wick­ler der preis­ge­krön­ten Trans­fer­stär­ke-Metho­de® und Autor meh­re­rer Wirt­schafts­best­sel­ler, dar­un­ter Die Wei­ter­bil­dungs­lü­ge (2008) und Chan­ge mich am Arsch (2018). Mit über 30 Jah­ren Erfah­rung als Trai­ner und Coach gilt er als Exper­te für nach­hal­ti­ge Ver­än­de­rung. Koch lebt in Bad Feiln­bach, kocht ger­ne mit sei­nem Sohn und hält sich mit Sport fit. Sein neu­es Buch heißt „Mor­gen fang ich aber wirk­lich an! Wie wir end­lich Ver­än­de­rung umset­zen“.

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