„Die Zukunft ist
grün und digital“
Der Logistikprofessor und Wissenschaftler Sebastian Kummer spricht im Interview über die Veränderungen in der Transportwirtschaft.
„Kärntner Wirtschaft“: Wo sehen Sie für Kärnten die Herausforderungen in der Transportwirtschaft?
Sebastian Kummer: Die Hoffnungen, die Kärnten in die Koralmbahn setzt, werden sich relativieren. Das sieht man jetzt schon an den Bemühungen und Schwierigkeiten rund um das Projekt des Dry Ports. Logistische Knotenpunkte funktionieren nur dann, wenn sie auch ein großes Aufkommen haben. Kärntens Industrien wie Infineon brauchen eine ganz andere Art des Transportes. Unter solchen Voraussetzungen ist es sehr schwierig, sich als Logistikstandort zu etablieren. Die Verbindung werden sich durch die Koralmbahn und den Semmering-Basistunnel natürlich verbessern, aber nicht den erwünschten Durchbruch bringen.
… weil sich auch die Güterstruktur ändert?
Massengüter wie Kohle, Mineralöle und Mineralölprodukte sind ideal für den Transport mit der Bahn. Diese Massengüter fallen in der Zukunft aber weg und es kommt zu mehr kleineren Sendungen. Da ist einfach der Lkw unschlagbar bei Flexibilität und kürzeren Distanzen. Allerdings geht es auch hier ganz klar in Richtung ökologische, grüne Transporte.
Wie können sich Betriebe darauf vorbereiten?
Wir müssen an der Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit der Unternehmen arbeiten. Da sehe ich für Kärnten mit seinen vielen mittelständischen Unternehmen gute Chancen. Schwankungen bei Nachfrage, Preisen oder geopolitische Spannungen wird es immer wieder geben. Die Unsicherheit bleibt. Insofern kommt die Wirtschaft aus dem Krisenmodus nicht heraus. Wer als Unternehmen solide wirtschaftet, kann mit diesen Herausforderungen umgehen.
Wir müssen auch die Effizienz im Güterverkehr steigern.
Sebastian Kummer
WissenschaftlerSollen Betriebe jetzt auf Elektro-Lkw umrüsten oder nicht?
Es kommt darauf an. Im Nahverkehr lassen sich Elektro-Lkw inzwischen sehr gut einsetzen, beim Schwer- und Langverkehr eher noch nicht. Langfristig wird die Dieseltechnologie teurer. Es gibt CO2-ärmere Treibstoffe, aber wie sich die Situation entwickeln wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Der kombinierte Verkehr ist ein Thema und wir müssen auch die Effizienz im Güterverkehr steigern.
Elektro ist also nicht die Lösung?
Es ist ein Teil der Lösung. Ich glaube, dass die Lösung nur ein Portfolio von unterschiedlichen Antriebsarten sein kann. Auch E‑Fuels und Wasserstoff könnten eine Rolle spielen. Beides lässt sich mit Tankschiffen gut transportieren und die arabische Welt stellt sich bereits in diese Richtung auf. Wir sind erst am Anfang der Transformation.
Wie verändert sich Mobilität international?
Es hat uns alle fast ein wenig erschreckt, wie schnell sich die internationalen Transportwege verändern und wie verletzbar sie sind. In Zukunft müssen wir uns auf weitere Veränderungen einstellen.
Stichwort Digitalisierung: Wohin geht der Weg?
Mittelständische Unternehmen können von der Digitalisierung profitieren, zum Beispiel kann das Be- und Entladen von Lkw ein Roboter übernehmen. Drohnen sehe ich eher in Spezialbereichen oder innerhalb eines Firmengeländes.
Wie wird Transport zukunftsfit?
Wir müssen weg kommen von billig und mehr auf Qualität setzen. Die einzige Chance für unsere heimischen Betriebe ist eine enge Kooperation mit Kunden. Trotz Automatisierung und Digitalisierung bleibt Transportwirtschaft „people business“. Deshalb ist es wichtig, gemeinsam mit Kunden neue Lösungen zu erarbeiten.
- Sebastian Kummer, geboren 1963 in Unna, Deutschland, ist seit 2001 an der Wirtschaftsuniversität Wien Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik.
- Er arbeitete an zahlreichen Forschungsprojekten mit, unter anderem leitete Kummer die Entwicklung des Österreichischen Gesamtverkehrsplans im Bereich Logistik und beriet große europäische Transportunternehmen.
- Kummer veröffentlichte zehn Fachbücher und war unter anderem Dozent an der Universität in China.
- In seiner Freizeit segelt er. Während der Pandemie saß er auf einem Segelschiff im Mittelmeer fest. Über diese Erfahrung schrieb er ein Buch.