Aus dem Kloster hat Anselm Bilgri viele Erkenntnisse für das Wirtschaftsleben mitgenommen.
Aus dem Kloster hat Anselm Bilgri viele Erkenntnisse für das Wirtschaftsleben mitgenommen. © Die Hoffotografen GmbH
Anselm Bilgri

„Das Wich­tigs­te ist der Mensch im Mit­tel­punkt“

Was die Benediktsregel und der Trend zur Agilität gemeinsam haben, weiß der ehemalige Benediktinermönch Anselm Bilgri.

09.01.2025 16:16 von Ines Tebenszky
Lesezeit 5 Minuten

Anselm Bil­gri war fast drei Jahr­zehn­te Bene­dik­ti­ner­mönch und ist jetzt Unter­neh­mens­be­ra­ter, Red­ner und Autor. Im Inter­view erklärt er, war­um man Manage­ment als Funk­ti­on ver­ste­hen muss.

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: Sie waren fast 30 Jah­re Bene­dik­ti­ner, heu­te sind Sie Unter­neh­mens­be­ra­ter. Wel­che Erkennt­nis­se haben Sie aus der Zeit im Klos­ter für das Wirt­schafts­le­ben mit­ge­nom­men?

Anselm Bil­gri: Das Wich­tigs­te ist, den Men­schen im Mit­tel­punkt zu sehen. Ein Unter­neh­men zu lei­ten, heißt, mit Men­schen zu arbei­ten, das sind die Mit­ar­bei­ter eben­so wie die Kun­den oder Lie­fe­ran­ten. Inso­fern hat die Wirt­schaft den Men­schen zu die­nen. Man muss den Men­schen als Per­son sehen, mit allem, was er mit­bringt, und darf ihn nicht ein­pas­sen in ein Zah­len­werk oder wie eine Schach­fi­gur hin- und her­schie­ben. Wenn es gelingt, das zum Klin­gen zu brin­gen, hat man Aus­sicht auf Erfolg.

Die Kern­aus­sa­ge der Bene­dikts­re­gel lau­tet ora et labo­ra – arbei­te und bete. Wie kann man das ins Wirt­schafts­le­ben über­set­zen?

Natür­lich gibt es in einem Unter­neh­men kein reli­giö­ses Ziel, aber die Ziel­ge­rich­tet­heit kann man über­tra­gen. Wich­tig ist, dabei auch offen zu blei­ben. In dem Klos­ter, in dem ich war, lag das Haupt­au­gen­merk auf dem Zweig Food and Bevera­ge, also Essen und Trin­ken. Zwei jun­ge Mön­che haben sich dann in der sozia­len Arbeit stark enga­giert, so ist ein neu­er Zweig ent­stan­den, in dem man sich um Obdach­lo­se küm­mert. Die Schnell­le­big­keit der Zeit zwingt Unter­neh­men dazu, agil zu sein und ihre Plä­ne immer wie­der zu revi­die­ren.

Wie passt die­se Agi­li­tät mit der rund 1500 Jah­re alten Bene­dikts­re­gel zusam­men?

Dar­über habe ich mich anfangs auch gewun­dert. Aber wenn Klös­ter nicht auf Zeit und Ort reagiert hät­ten, wür­den sie nicht mehr bestehen. Man kann das wie bei einem Baum sehen: Ein Baum steht fest, biegt sich aber im Wind, damit er nicht umfällt. Die­se Ver­bin­dung aus Bestän­dig­keit und Fle­xi­bi­li­tät macht es aus.

Man darf Manage­ment nicht als Posi­ti­on, son­dern muss es als Funk­ti­on ver­ste­hen.Zitat Ende

Anselm Bil­gri

Unter­neh­mens­be­ra­ter

Ist das der Grund, war­um Klös­ter über Jahr­hun­der­te bestehen kön­nen, wäh­rend vie­le Unter­neh­men schon nach kur­zer Zeit wie­der zusper­ren müs­sen?

Das hängt sicher auch stark mit der Moti­va­ti­on zusam­men. Ein Klos­ter ist eine Art von Lebens­ge­mein­schaft, die den Men­schen im Mit­tel­punkt sieht. Das Wort Abt für den Vor­ste­her des Klos­ters kommt aus dem Ara­mäi­schen und bedeu­tet soviel wie Väter­chen. Auch wenn wir patri­ar­cha­li­sche Ansich­ten ableh­nen, geht es doch um ein grund­sätz­li­ches Ver­trau­en, das wir damit ver­bin­den.

Wie las­sen sich die Auf­ga­ben eines Abtes und eines Geschäfts­füh­rers ver­glei­chen?

Bene­dikt sagt, dass ein Abt die Mön­che in ihrer Unter­schied­lich­keit wahr­neh­men und sich jedem ein­zel­nen anpas­sen muss. In vie­len Unter­neh­men glau­ben die Füh­rungs­kräf­te, dass sich die Mit­ar­bei­ter anpas­sen müs­sen, vor allem auch, weil die die­nen­de Funk­ti­on von oben nach unten sehr zeit­in­ten­siv ist. Ide­al wäre es, wenn sich Füh­rungs­kräf­te zu 80 Pro­zent Füh­rungs­auf­ga­ben und zu 20 Pro­zent Sach­auf­ga­ben wid­men wür­den. Das ist aber lei­der in den wenigs­ten Betrie­ben so.

Muss man den Mit­ar­bei­tern Sinn für ihr Tun geben?

Kon­stan­tin Wecker hat gesun­gen: „Der Sinn des Lebens besteht im Leben selbst.“ Umge­legt auf Unter­neh­men könn­te man sagen, dass man dann Sinn ver­mit­telt, wenn man Inter­es­se an der Per­son hat und nicht nur an der Zeit, die sie zur Ver­fü­gung stellt. Wer­den die Mit­ar­bei­ter wert­ge­schätzt, erfah­ren sie auch Sinn.

Ange­lehnt an die Bene­dikts­re­gel, wel­che drei Tipps haben Sie für Unter­neh­men?

Das ist zum einen die gute Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen den Hier­ar­chien, die aber nicht das Spre­chen, son­dern das Hören meint. Zum ande­ren muss man füh­ren und sei­nen Mit­ar­bei­tern die­nen. Man darf Manage­ment nicht als Posi­ti­on ver­ste­hen, son­dern als Funk­ti­on. Der drit­te Punkt ist, die Men­schen in ihrer Unter­schied­lich­keit wahr­zu­neh­men und die­se Ver­schie­den­heit auch posi­tiv zu sehen.

Zur Per­son
  • Anselm Bil­gri trat 1975 in die Bene­dik­ti­ner­ab­tei Sankt Boni­faz in Mün­chen und Andechs ein.
  • Er stu­dier­te Phi­lo­so­phie und Theo­lo­gie und wur­de 1980 zum Pries­ter geweiht. Als Cel­ler­ar lei­te­te er die Wirt­schafts­be­trie­be des Klos­ters Andechs.
  • 2004 schied er aus dem Orden aus und grün­de­te ein Bera­tungs­un­ter­neh­men für Unter­neh­mens­kul­tur in Mün­chen.
  • Heu­te ist er Gesell­schaf­ter der 2013 mit­ge­grün­de­ten „Aka­de­mie der Muße“, Autor zahl­rei­cher Rat­ge­ber­bü­cher sowie Hoch­schul­do­zent.
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