„Niemand weiß, was die Zukunft bringt, aber wer sich ständig fortbildet, hat bessere Karten.“
„Niemand weiß, was die Zukunft bringt, aber wer sich ständig fortbildet, hat bessere Karten.“ © Lukas Beck
Andreas Salcher

„Bil­dungs­sys­tem hängt im vori­gen Jahr­hun­dert fest“

Unternehmensberater und Bestsellerautor Andreas Salcher spricht im Interview über einen Neustart des Bildungssystems.

10.10.2024 13:10 von Claudia Blasi
Lesezeit 5 Minuten

„Kärnt­ner Wirt­schaft“: Öster­reich hat eines der teu­ers­ten Schul­sys­te­me in der EU und schnei­det bei PISA-Stu­di­en jedes Jahr schlech­ter ab. War­um?

Andre­as Sal­cher: Dafür gibt es meh­re­re Grün­de: Das Geld fließt in 1500 Kleinst- und Klein­schu­len, das ist viel zu teu­er, eben­so wie das Leh­rer­dienst­recht oder das Schul­an­ge­bot wie etwa die Mit­tel­schu­le, die von den Bil­dungs­schich­ten in den Städ­ten abge­lehnt wird. Hin­zu kom­men eine auf­ge­bläh­te Schul­ver­wal­tung und unge­lös­te gesell­schaft­li­che Pro­ble­me wie die Zuwan­de­rung von bil­dungs­fer­nen Kin­dern. Die Schu­le kann das nicht leis­ten.

Was ist zu tun?

Wir müs­sen bei der Ele­men­tar­päd­ago­gik anset­zen und auf­kei­men­de Pro­ble­me bereits im Kin­der­gar­ten lösen. Jeder Euro, der bereits im Kin­der­gar­ten inves­tiert wird, ent­fal­tet spä­ter sei­nen maxi­ma­len Bil­dungs­nut­zen. In der Schu­le sind strik­te Klas­sen­ver­bän­de und die 50-Minu­ten-Stun­de abzu­schaf­fen. Man kann nicht Lehr­plä­ne über Kin­der stül­pen, viel­mehr soll­ten Leh­rer als Lern­be­glei­ter unter­stüt­zen – aber das Sys­tem steht, wir hän­gen struk­tu­rell im 20. Jahr­hun­dert fest und das alles funk­tio­niert nur noch, weil Eltern, vor allem Müt­ter, mit ihren Kin­dern ler­nen oder Unsum­men in Nach­hil­fe ste­cken. Was wir brau­chen, ist eine Ganz­tags­schu­le, in der Ler­nen über Bezie­hung statt­fin­det. Das wür­de auch vie­len Müt­tern den Weg in den Arbeits­markt erleich­tern.

Bil­dung ist eine Grund­la­ge für wirt­schafl­ti­chen Fort­schritt. Wor­auf ist dabei zu ach­ten?

Wenn jeder Fünf­te nach neun Jah­ren Schul­bil­dung in Öster­reich weder sinn­erfas­send lesen kann, noch die Grund­rech­nungs­ar­ten beherrscht, ist das eine wirt­schaft­li­che und per­sön­li­che Kata­stro­phe. Die­se Per­so­nen fin­den kei­nen Job, wer­den ein Fall für das Sozi­al- und meist Gesund­heits­sys­tem und kön­nen selbst als Eltern die­se Spi­ra­le nicht durch­bre­chen. Umso wich­ti­ger wird eine attrak­ti­ve Aus­bil­dung, um auch in Zukunft Fach­kräf­te vor Ort gewin­nen zu kön­nen. Die Dua­le Aus­bil­dung ist zum Bei­spiel ein Modell, wofür wir inter­na­tio­nal benei­det wer­den und das uns Erfol­ge beschert.

Wenn die Qua­li­tät der Bil­dung sinkt, ist das auch eine wirt­schaft­li­che Kata­stro­phe.Zitat Ende

Andre­as Sal­cher

Unter­neh­mens­be­ra­ter

Wel­che Rol­le spie­len Künst­li­che Intel­li­genz (KI)und Digi­ta­li­sie­rung in der Zukunft?

Es kommt zu fun­da­men­ta­len Ver­än­de­run­gen auf allen Ebe­nen, wobei wir erst ganz am Anfang ste­hen. Am wich­tigs­ten ist es, dass Leh­rer und Schü­ler den Umgang mit den neu­en Werk­zeu­gen ler­nen und sie sinn­voll ein­set­zen. Das gilt auch für Unter­neh­mer und Mit­ar­bei­ter in der Wirt­schaft. Gänz­lich falsch wäre es, sich aus Furcht vor der KI zu ver­schlie­ßen. Was es aber drin­gend braucht, sind Restrik­tio­nen. Nie­mand hat Inter­es­se an einer Super­in­tel­li­genz, bei der die KI für Men­schen Ent­schei­dun­gen trifft und wir die Kon­trol­le abge­ben.

Die Arbeits­welt von mor­gen wird also durch lebens­lan­ges Ler­nen bestimmt?

Kein Mensch weiß, was genau die Zukunft bringt. Aber wir kön­nen davon aus­ge­hen, dass die Zei­ten, in denen ein Schul­ab­schluss reicht und man 40 Jah­re einem Beruf nach­ge­gan­gen ist, vor­bei sind. Vie­le Auf­ga­ben wer­den wohl an die KI aus­ge­la­gert. Men­schen wer­den im Lau­fe ihres Lebens öfter die Tätig­keit wech­seln und sich neu aus­rich­ten müs­sen. Das erfor­dert Resi­li­enz, eine psy­chi­sche und emo­tio­na­le Sta­bi­li­tät. Auch Unter­neh­men wer­den gefor­dert sein, ihren Mit­ar­bei­tern ein Umfeld zu schaf­fen, in dem sie sich fort­bil­den kön­nen.

Wel­che „Future Skills“ wer­den also erfor­der­lich sein?

Die vier „K’s“: die Fähig­keit zur Kom­mu­ni­ka­ti­on – sowohl ana­log als auch digi­tal; Koope­ra­ti­on – Team­play­er wer­den stär­ker gefragt sein; Krea­ti­tiv­ät – es braucht neue Ideen und Zugän­ge und ganz wich­tig – kri­ti­sches Den­ken.

Die Wah­len sind geschla­gen: Wel­che drei Punk­te müs­sen jetzt in die Bil­dungs­re­form?

Die Ele­men­tar­päd­ago­gik muss aus­ge­baut und pro­fes­sio­na­li­siert, das Schul­au­to­no­mie­pa­ket end­lich umge­setzt und ein flä­chen­de­cken­des Ange­bot an Ganz­tags­schu­len aus­ge­rollt wer­den.

Andre­as Sal­cher
  • Andre­as Sal­cher ist Unter­neh­mens­be­ra­ter, Best­sel­ler­au­tor und ein Vor­den­ker in Bil­dungs­the­men.
  • Er begann sei­ne Kar­rie­re 1987 in der Poli­tik als damals jüngs­tes Mit­glied des Wie­ner Land­tags. Andre­as Sal­cher ist Mit­be­grün­der der „Sir Karl Pop­per Schu­le“ für beson­ders begab­te Kin­der.
  • 2004 initi­ier­te er die „Wald­zell Mee­tings“ im Stift Melk.
  • Seit 2008 enga­giert er sich mit dem „Cur­ri­cu­lum Pro­ject“ für bes­se­re Schu­len.
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