„Bildungssystem hängt im vorigen Jahrhundert fest“
Unternehmensberater und Bestsellerautor Andreas Salcher spricht im Interview über einen Neustart des Bildungssystems.
„Kärntner Wirtschaft“: Österreich hat eines der teuersten Schulsysteme in der EU und schneidet bei PISA-Studien jedes Jahr schlechter ab. Warum?
Andreas Salcher: Dafür gibt es mehrere Gründe: Das Geld fließt in 1500 Kleinst- und Kleinschulen, das ist viel zu teuer, ebenso wie das Lehrerdienstrecht oder das Schulangebot wie etwa die Mittelschule, die von den Bildungsschichten in den Städten abgelehnt wird. Hinzu kommen eine aufgeblähte Schulverwaltung und ungelöste gesellschaftliche Probleme wie die Zuwanderung von bildungsfernen Kindern. Die Schule kann das nicht leisten.
Was ist zu tun?
Wir müssen bei der Elementarpädagogik ansetzen und aufkeimende Probleme bereits im Kindergarten lösen. Jeder Euro, der bereits im Kindergarten investiert wird, entfaltet später seinen maximalen Bildungsnutzen. In der Schule sind strikte Klassenverbände und die 50-Minuten-Stunde abzuschaffen. Man kann nicht Lehrpläne über Kinder stülpen, vielmehr sollten Lehrer als Lernbegleiter unterstützen – aber das System steht, wir hängen strukturell im 20. Jahrhundert fest und das alles funktioniert nur noch, weil Eltern, vor allem Mütter, mit ihren Kindern lernen oder Unsummen in Nachhilfe stecken. Was wir brauchen, ist eine Ganztagsschule, in der Lernen über Beziehung stattfindet. Das würde auch vielen Müttern den Weg in den Arbeitsmarkt erleichtern.
Bildung ist eine Grundlage für wirtschafltichen Fortschritt. Worauf ist dabei zu achten?
Wenn jeder Fünfte nach neun Jahren Schulbildung in Österreich weder sinnerfassend lesen kann, noch die Grundrechnungsarten beherrscht, ist das eine wirtschaftliche und persönliche Katastrophe. Diese Personen finden keinen Job, werden ein Fall für das Sozial- und meist Gesundheitssystem und können selbst als Eltern diese Spirale nicht durchbrechen. Umso wichtiger wird eine attraktive Ausbildung, um auch in Zukunft Fachkräfte vor Ort gewinnen zu können. Die Duale Ausbildung ist zum Beispiel ein Modell, wofür wir international beneidet werden und das uns Erfolge beschert.
Wenn die Qualität der Bildung sinkt, ist das auch eine wirtschaftliche Katastrophe.
Andreas Salcher
UnternehmensberaterWelche Rolle spielen Künstliche Intelligenz (KI)und Digitalisierung in der Zukunft?
Es kommt zu fundamentalen Veränderungen auf allen Ebenen, wobei wir erst ganz am Anfang stehen. Am wichtigsten ist es, dass Lehrer und Schüler den Umgang mit den neuen Werkzeugen lernen und sie sinnvoll einsetzen. Das gilt auch für Unternehmer und Mitarbeiter in der Wirtschaft. Gänzlich falsch wäre es, sich aus Furcht vor der KI zu verschließen. Was es aber dringend braucht, sind Restriktionen. Niemand hat Interesse an einer Superintelligenz, bei der die KI für Menschen Entscheidungen trifft und wir die Kontrolle abgeben.
Die Arbeitswelt von morgen wird also durch lebenslanges Lernen bestimmt?
Kein Mensch weiß, was genau die Zukunft bringt. Aber wir können davon ausgehen, dass die Zeiten, in denen ein Schulabschluss reicht und man 40 Jahre einem Beruf nachgegangen ist, vorbei sind. Viele Aufgaben werden wohl an die KI ausgelagert. Menschen werden im Laufe ihres Lebens öfter die Tätigkeit wechseln und sich neu ausrichten müssen. Das erfordert Resilienz, eine psychische und emotionale Stabilität. Auch Unternehmen werden gefordert sein, ihren Mitarbeitern ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich fortbilden können.
Welche „Future Skills“ werden also erforderlich sein?
Die vier „K’s“: die Fähigkeit zur Kommunikation – sowohl analog als auch digital; Kooperation – Teamplayer werden stärker gefragt sein; Kreatitivät – es braucht neue Ideen und Zugänge und ganz wichtig – kritisches Denken.
Die Wahlen sind geschlagen: Welche drei Punkte müssen jetzt in die Bildungsreform?
Die Elementarpädagogik muss ausgebaut und professionalisiert, das Schulautonomiepaket endlich umgesetzt und ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen ausgerollt werden.
- Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestsellerautor und ein Vordenker in Bildungsthemen.
- Er begann seine Karriere 1987 in der Politik als damals jüngstes Mitglied des Wiener Landtags. Andreas Salcher ist Mitbegründer der „Sir Karl Popper Schule“ für besonders begabte Kinder.
- 2004 initiierte er die „Waldzell Meetings“ im Stift Melk.
- Seit 2008 engagiert er sich mit dem „Curriculum Project“ für bessere Schulen.