
„Ausgewogenheit ist wichtig für die Selbstfürsorge“
Auf sein eigenes Wohlbefinden zu achten, ist für Andrea Länger unerlässlich.
Warum Selbstfürsorge für Unternehmerinnen und Unternehmer auch Teamfürsorge ist, erklärt Autorin und Beraterin Andrea Länger im Interview.
„Kärntner Wirtschaft“: Krieg, wirtschaftliche Herausforderungen – aktuell sind die Belastungen oft sehr groß. Woran erkennt man, dass es zu viel wird?
Andrea Länger: Am einfachsten erkennt man das an körperlichen Signalen wie Kopfschmerzen oder Verspannungen oder auch daran, wie gut man schläft. Ist der Schlaf gestört, ist das ein Hinweis, dass man nachts nicht zur Ruhe kommt. In der Neurobiologie heißt es, das Gehirn denkt, der Körper lenkt. Daraus kann man ableiten, dass der Körper schon früher merkt, was er braucht. Da muss man dann die Notbremse ziehen und sich um sich kümmern.
Wo setzt man an, um aus der Überforderungsfalle zu kommen? Mit einem Wellnesswochenende ist es ja wahrscheinlich nicht getan?
Am Wochenende, das meist auch durch verschiedene Vorhaben getaktet ist, sollte man auf jeden Fall schauen, was man braucht und den Rhythmus des Alltags stoppen. Wenn man am Montag fröhlich und entspannt ist, hat das Wochenende etwas gebracht. Wenn nicht, dann braucht man eine andere Haltung. Wir alle werden von sogenannten Antreibersätzen geprägt wie „Sei stark!“, „Sei perfekt!“ oder „Jammere nicht, es gibt Menschen, denen es noch schlechter geht als dir“. Das hilft nicht. Wer so geprägt ist, kann sich nur entlasten, wenn er seine Ansprüche herunterschraubt. Wenn man täglich zehn Dinge auf die To-do-Liste packt, ist es unrealistisch, das alles erledigen zu können, besser wäre es, sich nur drei Sachen vorzunehmen. Ein zu hoher Anspruch an Perfektion ist ungesund – für einen selbst, es setzt aber auch das Team unter Druck.
Was macht Selbstfürsorge aus?
Es ist das Innehalten und dass man sich zuerst um sich kümmert, denn dann erst ist man arbeitsfähig und kann sich auch um andere kümmern. Das wird jetzt, da wir mit vielen negativen Bildern konfrontiert sind, oft erschwert. Ich habe daher aufgehört, Nachrichten zu schauen, da wir diese Bilder abspeichern, ich lese sie nur noch.
Ein zu hoher Anspruch an Perfektion ist ungesund und setzt auch das Team unter Druck.
Andrea Länger
Autorin und BeraterinWie gelingt es generell, in schwierigen Zeiten auf sich zu schauen?
Es gibt vier Lebensbereiche, die ausgewogen sein sollten: das Ich, die Gesundheit und das Wohlbefinden, der Beruf und das soziale Leben. Wenn wir unsere Energie auf diese Bereiche aufteilen, dann wenden die meisten 80 Prozent ihrer Energie für den Beruf auf, der Bereich des Ichs bekommt meist sehr wenig Energie. Aber gerade, wenn man viel arbeitet, sollte man regelmäßig überprüfen, wo man steht und wo vielleicht etwas fehlt und einen Ausgleich zwischen den vier Bereichen finden. Natürlich sind die Bereiche auch untereinander verknüpft, denn eine sinnhafte Tätigkeit kann für das Ich sehr erfüllend sein. Dennoch sollte man sich regelmäßig fragen „Wie geht’s mir?“.
Welchen besonderen Herausforderungen stehen Unternehmen gegenüber, wenn es um das Thema Selbstfürsorge geht?
Für Unternehmer ist Selbstfürsorge ganz wichtig, da sie auch Teil der Teamfürsorge ist. Als Unternehmer ist man ein Vorbild – wenn man gut für sich sorgt, wird auch das Arbeitsklima dadurch geprägt. Und je besser das Klima, desto erfolgreicher sind die Teams. Motivation und Innovation hängen stark vom Klima ab, denn ist die Stimmung gut, kann man ganz viel schaffen und seine Kreativität entfalten. Führungskräfte sollten sich immer mitteilen, wertschätzend und transparent agieren.
Was kann man für die gute Stimmung in seinem Team machen?
Gute Stimmung lässt sich etwa durch kleine Rituale beeinflussen. In Bayern gibt es in manchen Betrieben zum Beispiel ein wöchentliches Weißwurstfrühstück. Aber auch, dass man Meilensteine feiert oder sich einfach selbst zur Leistung gratuliert, wäre wichtig.
- Andrea Länger ist diplomierte Sozialpädagogin, Beraterin für Arbeitsbewältigungs-Coaching und Inhaberin der Lebenslustagentur in Augsburg.
- Seit 2004 berät sie Unternehmen, Behörden, soziale Einrichtungen, Hochschulen und Universitäten.
- Ihr Wissen und ihre Erfahrungen gibt sie als Lehr-beauftragte an den Hochschulen München und Augsburg weiter oder schreibt es in Büchern nieder.