„Ärger kann auch zur Kraftquelle werden“
Wie Selbstständige besser mit Ärger umgehen, erklärt Coach, Buchautor und Trainer Philipp Karch.
Über sich selbst, die Kunden oder die Welt: Wir können uns über vieles ärgern, müssen es aber nicht. Coach und Trainer Philipp Karch erklärt im Interview, wie Unternehmerinnen und Unternehmer besser mit Ärger umgehen können.
„Kärntner Wirtschaft“: Warum ärgern wir uns im Alltag oft über andere?
Philipp Karch: Das liegt an unseren unerfüllten Erwartungen. Wir alle haben so einen Rucksack voller Erwartungen und Vorstellungen, was andere tun und lassen sollten. Aber immer dann, wenn mein Gegenüber etwas anderes tut als ich es erwartet habe, kommt eine Enttäuschung. Und diese Enttäuschung führt zur Emotion Ärger. Ich kann mich über mein Gegenüber ärgern oder auch über mich, weil ich meine Ziele nicht erreicht habe.
Manchmal ärgert man sich auch, weil man sich ärgert?
Richtig, das ist für Fortgeschrittene oder der erste Schritt zur Besserung. Ich ärgere mich, dass ich mich ärgere und habe dann plötzlich ein Motiv, mich weniger zu ärgern. Wenn wir uns die Ärgerquellen im Alltag ansehen, dann bringt der Ärger in 90 Prozent der Fälle nichts. Der Ärger ist nur ein Indiz, dass etwas nicht stimmt. Daraus kann auch eine Kraftquelle werden. Deshalb unterscheide ich zwischen günstigem und ungünstigem Ärger.
Was wäre so ein ungünstiger Ärger?
Wenn man zum Beispiel in einem Meeting unterbrochen wird, sich ärgert, aber nichts sagt. Der gleiche Ärger kann günstig sein, wenn er hilft, sich zu wehren und den Ärger auszusprechen. Dann hat der Ärger eine Funktion, die vielleicht hilft mehr Wahrnehmung und Wertschätzung zu bekommen.
Wie wird man den Ärger wieder los?
Die drei L können helfen: Liquidate it, Love it, Leave it. Nein sagen oder Grenzen setzen, ist eine Strategie. Dinge, die sich nicht ändern lassen, akzeptieren und lieben. Oder weggehen.
Wenn ich mich über jemanden ärgere, dann ist das mein Arschengel, von dem ich über mich lernen kann.
Philipp Karch
Coach, Trainer und BuchautorKonflikte mit Kunden sind für viele Selbstständige ein Horrorszenario. Wie geht man damit um?
Immer wenn ich einen Konflikt habe, ärgere ich mich. Der Konflikt ist das Abstrakte, der Ärger das Konkrete. Mit Kunden würde ich stark auf Prävention setzen. Wie verhalte ich mich im Vorfeld, damit es erst gar nicht zu einem Konflikt kommt? Zum Beispiel die Auftragsklärung mit smarten Zielen und einem Perspektivenwechsel, was braucht der Kunde wirklich? Hier kann man zwischen Strategien und Bedürfnissen unterscheiden. Strategien sind im Außen sichtbar, also ein Auto oder eine Dienstleistung. Aber dahinter steht ein Bedürfnis des Kunden. Präventiv wäre außerdem rechtzeitig Grenzen zu setzen. Als Selbstständiger weiß ich, wie schwer es manchmal ist frühzeitig Nein zu sagen.
Allerdings wird nicht aus jedem Konfliktangebot tatsächlich ein Konflikt?
Wenn zum Beispiel jemand bei einem Meeting die Augen verdreht, ist das noch kein Konflikt, sondern erst mal nur ein Konfliktangebot. Ob daraus ein Konflikt wird, liegt an mir und wie viel Macht ich dem anderen gebe. Man könnte so reagieren: Sie haben gerade die Augen verdreht. Was meinen Sie damit? Durch einfaches Nachfragen kann man viele Konflikte einfach im Kern ersticken oder auflösen. Das funktioniert aber nur ohne Unterstellung.
Wie trainiert man die eigene Anti-Ärger-Strategie?
Wenn ich mich über jemanden ärgere, dann ist das mein Arschengel, ein Begriff von Robert Betz. Ich kann von dem Arsch etwas lernen, also wird er zum Engel. Warum fühle ich so? Was habe ich bewertet? Damit kommt man sich selbst und dem Ärger auf die Schliche. Grundsätzlich brauchen wir ein völlig neues Miteinander auf Augenhöhe, um Unternehmen weiterzuentwickeln und neu zu denken.
- Philipp Karch, geboren 1972 in Deutschland, studierte Landschaftsökologie in Münster und Enviromental Studies in Los Angeles.
- Nach dem Studium sammelte verschiedene Berufserfahrungen. Er machte sich 2010 selbstständig und leitete Führungskräftetrainings.
- Ab 2022 spezialisierte er sich auf schwierige Gesprächssituationen.
- Im BusinessVillage Verlag erschien dazu sein Buch „Was mich ärgert, entscheide ich“. Inzwischen gibt es dazu eine eigene App und Onlinekurse.
- Lange Spaziergänge, Fußball und Schach sind die Hobbys vom Coach, Trainer und Speaker.